Rigging

Grundlagen für die Animation

Um die äußere Hülle lenken zu können, werden jetzt die internen Mechanismen geschaffen, die über Authentizität in der Verformung und über effiziente Handhabung entscheiden.

Rigging (Allgemein)

Unter dem Begriff “Rigging” oder “Character Rig” versteht man den Aufbau der technischen Grundlagen und der individualisierten Mechanismen, die der Animationskontrolle des 3D-Objekts dienen. Ziel ist es hierbei, den jeweiligen Charakter auf die speziellen Anforderungen optimal vorzubereiten, nötigenfalls auch mit eigens hierfür erstellten Tools. Ein Charakter, der über eine komplexe Mimik und Sprache verfügen muss, sollte beispielsweise derart vorbereitet werden, dass die Animation der unzähligen Gesichtsstellungen entweder automatisiert mittels einer Tracking-Lösung oder etwa teilautomatisiert durch Lipsync-Tools realisiert werden kann. Ein gutes Character Rig soll dem Animator den Umgang mit häufig auftretenden Situationen, wie zum Beispiel akzentuierte Gestik, erleichtern. Auch wenn der Begriff hauptsächlich auf IK-Setup und Skinning zu beziehen ist, schließt die Schaffung von animationstechnischen Grundlagen auch die für die Secondary Motion benötigten Plugins mit ein – ist also wieder einmal produktionsphasenübergreifend.

Rigging würde im Zusammenhang von Character Studio die Anpassung des Bipeds, die Definition des Physique-Modifiers bedeuten. Da diese Lösung über viele vordefinierte Funktionen wie zum Beispiel Track Selection, Bend Links Mode, Copy Posture und vieles mehr verfügt, entfällt hier einiges an Arbeit. In einem individualisierteren Kontext wären die Erstellung der Bone-Struktur, IK- Chains, Helper-Objekte, Slider/Manipulator (Kontrollobjekte, die mehrere Parameter miteinander verbinden oder Skripte ausführen), Einstellungen für den Skin-Modifier etc. gemeint.

IK-Systeme: Character Studio versus Bones

Automatisierter gegen individualisierter Ansatz: Beide Möglichkeiten bestehen jeweils aus zwei Komponenten, dem IK-Skelett und dem Skinning-Modifier. Was spricht also für die einzelnen Ansätze? Zeit, Komplexität, anatomische Anforderungen und Kosten sind Kriterien, nach denen diese beurteilt werden können.

Beginnen wir mit dem IK-Skelett. Wie viel Zeit steht zur Verfügung? Wenn man das Umfeld betrachtet, in dem 3ds max normalerweise eingesetzt wird, so hat dies meistens nichts mit Hollywoods Feature-Filmen zu tun. Es sind die alltäglicheren Projekte, in denen Max zu finden ist, und diese haben leider die Eigenschaft, mit geringeren Budgets – also weniger Zeit, die wiederum zu einer geringeren Komplexität führt – ausgestattet zu sein. Dieser Umstand hängt jedoch nicht (oder nur teilweise) mit der Funktionalität der Software zusammen, sondern vielmehr mit unserer geografischen Lage. Ausnahmeprojekte bestätigen die Regel – wir sind eben nicht in den Staaten.

Damit Charakteranimation auch unter einfachen Rahmenbedingungen (wenig Geld) einsetzbar ist, ist ein schnelles Setup ausschlaggebend. Schnell ist ein Setup nur dann, wenn ein Minimum an Arbeitsschritten benötigt wird. Die Möglichkeit, auf ein automatisiertes System wie Character Studio zurückgreifen zu können, suchte über Jahre ihresgleichen, auch wenn mittlerweile Alternativen bereitstehen.

Auch wenn Maya Tools - wie beispielsweise Advanced Skelezon, AniMan und Final Rig - anbietet, um die Erstellung des IK-Skeletts zu vereinfachen, lässt sich das Rigging in dem Alias-Package vielmehr als ein individualisierter, speziell auf den einzelnen Charakter angepasster Vorgang beschreiben, der für komplexe High-End-Charaktere ein Optimum an Kontrolle darstellt. Die eben beschriebene Vorgehensweise ist aber in alltäglichen Produktionen für meinen Geschmack zu aufwändig, gerade dann, wenn der mehrfach angesprochene Faktor Zeit ins Spiel kommt, der es dem Anwender nicht erlaubt, sich wiederholt mit dem aufwändigen Setup der IK-Struktur auseinander zu setzen. 3ds max bedient glücklicherweise beide Ansätze gleichermaßen! Denn Character Studio kann nach Belieben auf einer einfachen Basis, aber auch auf äußerst komplexer Ebene eingesetzt werden. Natürlich gehen solche vorgefertigten Lösungen immer mit Einschränkungen einher, aber wenn solche Situationen auftreten, können diese durch Teilindividualisierungen, wie das Einbinden von zusätzlichen Bones in die Biped-Struktur, behoben werden. Darüber hinaus ist der Wiederverwendungswert der in Character Studio erstellten Bewegungsdaten, die so genannten Bip-Files, ein nicht zu unterschätzender Faktor. Mit jedem Projekt wächst die eigene Bewegungsbibliothek. Der schlechte Ruf, den Character Studio in elitären Charakteranimatorenkreisen (Maya, Softimage) hatte, ist schon lange Vergangenheit und rührt noch aus Zeiten, als die “Footstep-Generierung” als mächtiges Animationsmittel angepriesen wurde (was sie selbstverständlich nie war). Mit der Idee, komplexe Bewegungsmuster zu automatisieren, wurde jedoch zumindest das Problem erkannt. Ernsthafte Charakteranimation bleibt derzeit jedoch der FreeForm-Animation (Character Studios interne Bezeichnung für traditionelles Keyframing) und dem Motion-Capturing vorbehalten.

Alternativ kann man selbstverständlich den am Maya-Beispiel angesprochenen, komplett individualisierten Weg mittels Bones einschlagen und auch den ausgefallensten Anforderungen bezüglich Aufbau (anatomische Besonderheiten, Vielfüßler etc.) und Deformations- und Animationskontrolle (Slider/Manipulator) gerecht werden. Auch wenn im Zusammenhang mit der Frage nach Funktionalität diverse Neuerungen wie Merge Animation, Character- Tool, Parameter-Wiring oder Spline-IK geschaffen wurden, kann ein komplexes Setup schnell die Souveränität des Users im Umgang mit der Software auf die Probe stellen und Scripting- Fähigkeiten abverlangen. Neben den eben genannten Eigenschaften sollte jedoch hervorgehoben werden, dass die Bone-/Skin-Variante bereits Teil des Basispakets ist, also nichts kostet, wohingegen Character Studio mit einem Preis von ca. 1.100 € zu Buche schlägt.

Um die obigen Aussagen in der Praxis zu überprüfen, werden wir beide Setup-Varianten in den nachfolgenden Tutorials am Beispiel von Nils erstellen.

Skinning

Nach einer ersten Gegenüberstellung der zur Verfügung stehenden IK-Alternativen möchte ich nun die Funktionalität der beiden angebotenen Skinning-Komponenten, Character Studios “Physique” und 3ds max internes “Skin”, im Zusammenspiel mit der jeweiligen IK-Variante etwas genauer beleuchten – ebenfalls in der Anwendung. Die Modifikatoren steuern die Verformung des 3D-Modells. Im Vorfeld einzelnen Links bzw. Bones des IK-Skeletts zugewiesene Vertices folgen deren Bewegungen im Raum. In angrenzenden Bereichen der verschiedenen IK-Elemente kommt es zu Überschneidungen der Einflussbereiche. Im Skinning muss definiert werden, in welchem Maße das Vertex dem IK-Element zugehörig ist und in welcher Weise es ihm folgt. Wie schnell dies umsetzbar ist und welche Möglichkeiten hierfür zur Verfügung gestellt werden, lässt sich am besten in der Praxis veranschaulichen.

Eine Gegenüberstellung der beiden Kontrahenten zeigt schnell, dass man an dieser Stelle nicht viel falsch machen kann.