Spezialist oder Multitalent?

In den “großen Studios” ist eine Vielzahl von Mitarbeitern, wie z. B. Zeichner, Designer, Modeler, Texture und Lighting Artists, Rigger, Animatoren, Technical Director etc., an der Erschaffung und Animation eines virtuellen Charakters beteiligt.

Die Realität in kleineren Studios sieht jedoch anders aus. Spezialistentum in Reinform ist in solchen Produktionsteams kaum anzutreffen, da hier eine gewisse Vielseitigkeit zur Abdeckung eines derart großen Themenkomplexes unerlässlich ist. Wo der Spezialist in seinem jeweiligen Aufgabenbereich kaum zu übertreffen ist – denn schließlich beschäftigt er sich ja kaum mit etwas anderem –, kann der vielseitige User durch seine interdisziplinären Erfahrungen punkten. Ideale Voraussetzungen für den nächsten Produktionsschritt können natürlich nur dann geschaffen werden, wenn die verschiedenen Anforderungen der einzelnen Disziplin auch bekannt sind.

In dem Projekt “Fickende Fische” war ich beispielsweise für das Modeling und Animation-Setup alleine zuständig und wirkte anschließend als einer von zwei Animatoren an den Bewegungen mit. Ein hauptberuflicher Modeler wäre wahrscheinlich schneller zu guten Ergebnissen gekommen, aber aufgrund der zwei nachfolgenden Phasen konnte ich Erfahrungswerte bezüglich Setup und Animation mit einfließen lassen und das Modell für die spezielle Anwendung optimal anlegen.

Die drei folgenden Profile, 2D-Artist, Modeler und Animation Artist – als Quelle dient der Aufsatz “The game industry for entry level artists” – beschreiben die für uns wichtigen Fähigkeiten. Da es sich hierbei um drei eigenständige Berufssparten handelt, werden die wenigsten über alle aufgelisteten Fertigkeiten verfügen.

Texture- bzw. Concept- oder 2D-Artist

Beschreibung:

Starkes Verständnis von Design und Komposition sowie ausgeprägte zeichnerische Fähigkeiten, die auf vielfältige Weise eingesetzt werden. In der Konzeptionsphase stehen Figuren-Zeichnen und Scribbling (auch für Storyboards) im Vordergrund. Während der Produktion gehören die Vergabe von Mapping-Koordinaten und die Erstellung von Texturen zur Haupttätigkeit.

Anforderungen:
  • Mappe: Es empfiehlt sich, diverse Beispiele von Menschen, Kreaturen, Tieren, aber auch nichtorganische Formen präsentieren zu können, welche die zeichnerischen Fähigkeiten belegen.
  • Stilarten: Vielseitigkeit demonstrieren, von realistisch über Comic bis stilisiert
  • Erstellung von visuellen Konzepten (teilweise auch ausgehend von Textbeschreibungen)
  • Storyboarding
  • Realtime UV Mapping: Definition von Mapping-Koordinaten und sinnvolle Aufteilung der Texture-Pages, Beispiele für 256er, 512er und 1024er Texture-Pages, “Multiple Textures per Object”, inklusive einer separaten Map für Alpha
  • “Advanced Painting Techniques”: Wenn die Auflösung des Drahtgittermodells Limitationen unterliegt, muss ein zusätzlicher Eindruck von Tiefe und Detail durch die Verwendung von Farben, Schatten und Highlights in Bitmaps erzeugt werden.
  • Realtime-Texturen: Beispiele für Seamless-Textures, FX-Textures und Overlays
  • Gute Kenntnisse in Photoshop und anderen “Paint”-Programmen

Modeler

Beschreibung:

Hier wird die Fähigkeit gefordert, beliebige 3D-Objekte mittels verschiedener Techniken, auch unter Berücksichtigung von medienspezifischen Limitationen oder präziser Vorgaben, modellieren zu können.

Anforderungen:
  • Techniken: Nurbs-, Spline- oder Poly-Modeling
  • Darstellung: Die untexturierten Modelle schattiert und als Drahtgitter zeigen. Dies hilft zu verdeutlichen, wie sauber und sinnvoll das Mesh aufgebaut wurde – also wie gut der Modeler ist. Üblicherweise wird ein Mesh frontal, seitlich, von hinten und perspektivisch gezeigt. Wenn eine texturierte und/oder animierte Version des Charakters vorliegt, sollte diese als separater Punkt aufgelistet werden.
  • “Modeling for Animation”: Die Animationsergebnisse sollten verdeutlichen, dass die benötigten Grundlagen für gute Deformationen beherrscht werden.
  • Auflösung: Eine Auswahl an verschieden hoch aufgelösten Charakteren veranschaulicht, wie gut man sich auf die jeweiligen Limitationen einstellen kann.
    • Game LowRes: bis 800 Polygone
    • Game HighRes: bis 6000 Polygone
    • Realtime: bis 30.000 Polygone
    • High-Res: alles darüber

Animation Artist

Beschreibung:

Die Fähigkeit, einen Echtzeit oder High-End-Charakter für “Game Content” oder “Cinematic Animation” zu animieren. Voraussetzung hierfür ist eine gute Kenntnis der menschlichen Anatomie sowie deren biomechanischen Körperfunktionen. Darüber hinaus ist ein fundiertes technisches Wissen der jeweiligen 3D-Software erforderlich, um realistische oder stilisierte Bewegungen und die damit verbundenen Deformationen erzeugen zu können.

Anforderungen:
  • Rigging: z. B. Custom-IK via Bones oder Character Studio, Skinning sowie Implementierung anderer Features.
  • Secondary Animation: Kenntnis der für Charakteranimation benötigten Plugins
  • Wissen um den Unterschied im Aufbau zwischen Realtime und Pre-rendered: Verständnis der Limitationen von Game-Engines und daraus resultierender Folgen (etwa mit “Rigid Envelopes” trotzdem gute Deformationsergebnisse erzielen) oder die Fähigkeit, die komplexe Struktur eines High-End-Charakters zu planen und umzusetzen
  • Verschiedene Animationstechniken: Keyframing, Motion-Capturing, Motion-Flows, Crowd-Tool
  • Importieren und Bearbeitung von Motion-Capture-Daten
  • Animation von organischen und technischen Objekten
  • Secondary Motion: “follow through”, “squash”, “stretch”, Extremposen
  • “In place Animation”: “In-Game” bewegen sich Charaktere selten durch den Raum, sondern beginnen und beenden die Bewegung auf derselben Stelle (wenn die Engine kein IK-Blending unterstützt)
  • Standardbewegungen: z. B. laufen, gehen, stillstehen, springen, schießen, angreifen, sterben etc. (für “Game-Content” sollte insbesondere darauf geachtet werden, dass die Füße nicht den Boden durchkreuzen)
  • “Off the ground”-Bewegungen: z. B. klettern, fallen, schwimmen
  • Wissen um die Unterschiede zwischen “Pre-rendered Cinematic” und “In-Game Cinematic”: Bei der ersten Variante handelt es sich um im Vorfeld berechnete Animationsfilme mit aufwändigen Effekten und Sound, die zweite Form wird mit Hilfe der Game-Engine und deren Inhalten erzeugt.