Character Design

Character Design beschreibt den umfangreichen Prozess, mit verschiedensten Ansätzen stilisierte oder realistische Wesen sowie deren verhaltensprägenden Charakter zu erschaffen.

Da sich mit dieser Thematik ganze Abhandlungen beschäftigen, soll mit Ausnahme des Creature Designs hauptsächlich auf die technisch relevanten Entwicklungsaspekte eingegangen werden. Diese sollen zuerst allgemein und anschließend im Hinblick auf das vorangegangene Beispielprojekt “Fickende Fische” thematisiert werden. Auf diese Weise soll auch im konzeptionellen Teil des Buches der softwarespezifische Bezug nicht außer Acht gelassen werden.

Creature Design

Yeah foodAbb. 4: “Yeah food”, image courtesy of
Spellcraft Studio , Germany

Diese aufwändige Form der Charakterschaffung wird meistens im Rahmen eines Feature-Films betrieben und findet in alltäglicheren Produktionsszenarien eher selten Verwendung. Ziel ist es, eine authentisch wirkende Kreatur zu erschaffen. Da hierbei eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen ist, nehmen Ideenfindung und Konzeption viel Zeit in Anspruch.

Wenn ein Wesen in der Gesamtheit seiner Eigenschaften und im Kontext seiner Umwelt überzeugen soll, müssen sowohl die ihm eigenen Merkmale als auch die ihn betreffenden Umstände gegenseitigen Einfluss aufeinander haben. Ein fotorealistisches Äußeres allein reicht hier nicht aus, da es die angestrebte Authentizität nur zum Teil untermauern kann. Um die Illusion wirklich glaubhaft zu machen, muss jegliche Unstimmigkeit beseitigt werden oder als gewolltes Stilelement erkennbar sein. Wir kennen alle das folgende Phänomen:
Auf der Leinwand erscheint eine Kreatur – die Illusion ist im ersten Moment perfekt, aber zerfällt mit einsetzender Bewegung.

Die folgenden Merkmalskategorien helfen, ein genaues Bild von dem Wesen und den es beeinflussenden Lebensumständen zu entwerfen und dadurch dessen Art, Verhalten und Umwelt miteinander in Einklang zu bringen.

  1. Physis
  2. Persönlichkeit (wenn intelligent)
  3. Verhalten
  4. Umgebung

Wenn man beispielsweise einen Hasen betrachtet, kann man mittels seiner Merkmale einiges über ihn herausfinden. Er hat unter anderem lange Ohren, starke Hinterläufe und die ihm eigenen Hasenzähne. Wozu bräuchte so ein friedliches, sich von Pflanzen ernährendes Wesen ein Raubtiergebiss? Angewendet auf unser Wesen könnten wir uns fragen, ob es einen Grund dafür gibt, dass es gerade so und nicht anders aussieht? Welchen Aufschluss gibt uns seine Anatomie über Verhalten oder Lebensraum? Passen Statur und Bewegung zueinander? Handelt es sich um Jäger oder Gejagten? Ist es intelligent? Der Fragenkatalog lässt sich beliebig erweitern.

Vorgehen:
Ein ausführliches Brainstorming und eine detaillierte Beschreibung der Kreatur unter Berücksichtigung der vier aufgelisteten Punkte sind ein guter Anfang. Je mehr wir an Informationen zusammentragen können, desto besser. Anschließend sollten die Inhalte der verschiedenen Merkmalskategorien auf deren wechselseitigen Einfluss untersucht und auf Stimmigkeit überprüft werden.

Beispiel:
Aufgabe ist es, in dem Cyberpunk-Setting Shadow Run einen Antihelden zu entwickeln. Um das Ganze ein wenig abzukürzen, entscheiden wir uns für einen Menschen, der während seiner Kindheit der Goblinisierung (Mutation) zum Opfer gefallen ist und dadurch stark entstellt wurde. Weil er einem Ork jetzt äußerlich sehr ähnlich sieht, nennen wir ihn Monster.

Umgebung:
Unser Ausgangspunkt ist das befremdliche Umfeld, in das sich unser tragischer Protagonist nach seiner Verwandlung geflüchtet hat. In den von Megakonzernen regierten Metropolen gibt es abgeschottete Stadtteile, zu denen man nur als Konzernangestellter Zugang erhält. Die düsteren Straßenschluchten hingegen sind zwar alles andere als sicher, aber für viele der einzige Ort, an dem sie geduldet werden. Welche Auswirkungen könnte dieser Umstand auf Persönlichkeit, Verhalten und Physis von Monster gehabt haben?

Physis:
Am Rande der zivilisierten Gesellschaft musste er häufig drastische Maßnahmen ergreifen, um sein Leben zu verteidigen. Die tägliche Konfrontation mit Gewalt hat seinen Körper geformt. Der etwas abgemagerte Eindruck – Ressourcen und Geld sind eben knapp – betont sogar noch die Muskulatur seiner freien Oberarme. Die in zahllosen Kämpfen davongetragenen Narben geben ihm etwas Verwegenes. Wenn man von leichten Verstümmelungen wie einem fehlenden Ohr absieht, ist er in körperlicher Höchstform. Seine Gesichtszüge verraten Verbitterung und die Bereitschaft zu Gewalt, wenn man ihn herausfordert.

Persönlichkeit:
Die Erlebnisse der Verwandlung und der vermeintliche Zufluchtsort haben Naturell und Ansichten nachhaltig geprägt. Schnell hat er gelernt, dass es entweder Starke oder Schwache gibt. Um sich der feindseligen Umgebung anzupassen, beginnt er nach außen ein anderes Verhalten und damit verbundene Werte vorzuspielen. Was als Maskerade begann, hat er mittlerweile stärker verinnerlicht, als ihm lieb ist. Er ertappt sich dabei, dass er bereits auf die geringste Provokation übertrieben heftig reagiert und sich nicht mehr unter Kontrolle hat. Er verachtet sich dafür, was er im Laufe der Jahre anderen angetan hat, und fragt sich, ob ihn die permanent zugegene Aggressivität wohl je wieder verlassen wird.

Verhalten:
Um nicht versehentlich zu der Opfer-Kategorie gezählt zu werden, begegnet er Schwächeren mit aufgesetzter Verachtung. Monster tritt sowohl selbstbewusst als auch fordernd auf. Körpersprache (z. B. erhobenes Haupt oder geballte Fäuste) und Mimik lassen keinen Zweifel daran, dass er zu Gewalt bereit ist. Seine Augen sind permanent in Bewegung. Zu groß ist die Sorge, einer unerwarteten Attacke nicht rechtzeitig begegnen zu können oder die Gelegenheit auf einen vollen Magen zu verpassen.

Die hier entstandene Beschreibung könnte natürlich auch aus jedem anderen Blickwinkel beleuchtet werden. Wichtig ist nur, dass wir zu einer zufrieden stellenden Geschichte kommen, um viel von dem, was wir erdacht haben, in die optische Visualisierung mit einfließen lassen zu können.

In vereinfachter Form lässt sich die beschriebene Vorgehensweise auch vorteilhaft für die Hintergrundentwicklung anderer Charaktere einsetzen.

Vorgaben und Look
Bringt das Projekt irgendwelche Verbindlichkeiten mit sich, und in welcher Form liegen diese vor? Visuelle Konzepte, physische oder 3D-Modelle, Skizzen, Bilder, Fotos, Beschreibungen oder Personen, denen der virtuelle Charakter nachempfunden werden soll – welche Anforderungen werden an den Animator gestellt? Ist eine kreative Beteiligung an der Umsetzung gefragt oder ein Operator, der nach absoluten Vorgaben abarbeitet?

VegaAbb. 5: “Vega”, image courtesy of
Alessandro Baldasseroni

Wie ist der genaue Look und Realismusgrad des Charakters zu beschreiben? Da das Spektrum alles – von stark stilisiert bis komplett fotorealistisch – umfasst, empfiehlt es sich, diese Attribute so genau wie möglich festzulegen. Nötigenfalls sollten mit Hilfe von Beispielmaterial eventuelle Abweichungen vermieden werden. Wenn bereits zwei Teamkollegen sehr unterschiedliche Vorstellungen im Hinblick auf die Visualisierung einer Aufgabenstellung haben können, wie groß muss dann die Diskrepanz zum Auftraggeber sein?

Da die Fische im Rahmen eines Filmprojekts entwickelt wurden, konnten dem Drehbuch sehr konkrete Szenenbeschreibungen entnommen werden. Diese sollten durch ihr Äußeres sowohl charakterlich verschieden wirken als auch für den Zuschauer eindeutig als männlich oder weiblich erkennbar sein. Wie die Fische genau aussehen sollten, war bis dato jedoch nicht definiert. Nach einer kleinen Internet-Recherche präsentierte ich der Regisseurin eine Auswahl an verschiedenen Fischarten, bis die Wunschkandidaten gefunden waren. Danach begab ich mich auf die Suche nach hoch auflösenden Fotos und begann anschließend mit ihnen, Körpergrößen im Verhältnis zueinander, Proportionen, Farben und Flossenformen sowie Unterschiede in Augen- und Maulform festzulegen. Nach diversen Vorschlägen mittels 2D-Fotomontagen war die Regisseurin schließlich mit dem Aussehen zufrieden, und die Modellierung konnte beginnen.

Die folgenden Vorgaben sind einem “Art Test” entnommen, mit dem ein Publisher auf mich zugekommen ist. Dies ist ein typisches Beispiel für die einer Echtzeit-Charakterentwicklung zugrunde liegenden Spezifikationen.

“Game-Ready-Character”
  • Max-Szene (4.1) mit Character Studio (3.1) Setup
  • 2500-Polygon-Charakter, modelliert in 3ds max
  • Soft-Skinned seamless (“Continuous Mesh”)
  • 512er Texture-Map für den gesamten Charakter
  • Einfaches Biped-Setup mit Physique
  • Parent/Child hierarchical linking and Pivot Points
  • Two bone weighted
  • Bone-Rig für Gesichtsanimation
Optischer Qualitätslevel
  • Devil May Cry
  • ICO
  • Metal Gear Solid 2
  • Dead or Alive 2: Hardcore
  • Onimusha: Warlords
  • Shenmue
  • Soul Calibur
  • Final Fantasy X

Medium

Verwendete Texturen fuer blauen BarschAbb. 6: Verwendete Texturen für
blauen Barsch

Für welches Medium wir produzieren, kann aufgrund medienspezifischer Vorgaben und/ oder aufgrund des Einsatzes in mehreren Medien drastische Auswirkungen darauf haben, wie wir produzieren. Dieser Umstand sollte ganz besonders dann bedacht werden, wenn eine Mehrfach-Verwendung wahrscheinlich ist.

In solchen Fällen ist es ratsam, Mesh und Texturen derart anzulegen, dass eine Modifizierung der Auflösung ausreicht, andere Medieneinsätze zu ermöglichen. Der Ansatz “LowRes steuert HighRes&rdquo bietet bezüglich verschiedener Anforderungen eine große Flexibilität und würde im angesprochenen Fall nur die Überarbeitung der Modelldefinition und Texturphase mit sich bringen. Ein in seiner Auflösung steuerbares Mesh, z. B. durch Meshsmooth oder HDRS, ist wegen seiner Adaptierbarkeit und den Performance-Aspekten in diesem Fall vorteilhaft. Texturen verhalten sich hierzu konträr, da sie verlustfrei nur in eine Richtung veränderbar sind. Die je nach Anwendung zu großen Bitmaps können im Nachhinein für das jeweilige Medium immer noch heruntergerechnet oder z. B. per MipMap passend eingesetzt werden. Bei dem MipMap - Verfahren werden Artefakte in der Grafik, die durch verschiedene Entfernungen zum Objekt entstehen, unter Verwendung von “Multiple-Levels Of Detail&rdquo eliminiert. Es ist in jedem Fall zu beachten, dass es sehr zeitaufwändig ist, im Nachhinein für ein auflösungsintensiveres Medium zu produzieren!

Fische mit MeshesAbb. 7: Fische mit Meshes

Da die Fische für eine Wiedergabe in 2k-Auflösung angefertigt wurden (keine Leinwand füllenden Closeups), aber ebenfalls für Printwerbezwecke, wie z. B. Filmplakate oder Postkarten, verwendet werden sollten, wurden die Texturen gemäß dem höher auflösenden Medium angelegt. Um unnötige Längen im 2k-Rendering zu vermeiden, wurden die Bitmaps anschließend für die Berechnung der Sequenz so weit verkleinert, wie dies ohne Qualitätsverluste machbar war.

Distanz

AnimationsszeneAbb. 8: Animationsszene

Ähnlich dem Oberpunkt Medium entscheiden Entfernung und der Grad der auf den Charakter gerichteten Aufmerksamkeit maßgeblich über die benötigte Detailtiefe des Meshes und der Textur-Bibliotheken. Je stärker der Digitale im Mittelpunkt steht, desto detaillierter muss das Konstrukt aufgebaut sein, um dem kritischen Betrachter standhalten zu können.

Selbstverständlich kann man den Spieß auch umdrehen und einer zu hohen Aufmerksamkeit gezielt entgegenwirken. Schnelle Bewegungen und Motion Blur, die Verwendung von Signalfarben in anderen Bildbereichen, Aktionen im näheren Umfeld, selektiv beleuchtende Lichtszenarien, Kameraführung, Effekte etc. helfen, das “Argusauge” abzulenken.

Da das Drehbuch in diesem Punkt keine Einschränkung vorsah – sie tauchen aus den Tiefen des Gewässers auf und schwimmen bis kurz vor die Kamera, um den verschiedenen Entfernungen zur Kamera gerecht werden zu können –, musste die Geometrie der Fische in ihrer Auflösung variabel gehalten werden. Nach der Modellierung mit den integrierten Surface-Tools habe ich diese in ein Patch gewandelt, um die Surface-Parameter auf die jeweiligen Bedürfnisse anpassen zu können. Animiert wurden die Fische dann mit Viewsteps:0 und berechnet mit Rendersteps:5.

Bewegung

Welche Fähigkeiten müssen wir bereitstellen? Drehbuch oder Storyboard sollten genaue Auskunft über die gefragten Handlungen geben, die unser Kunstwesen überzeugend ausführen können sollte. Falls dem nicht so ist, sollte im eigenen Interesse auf eine Überarbeitung des Skripts hingewiesen werden. Es gilt zunächst, die Bewegungen zu analysieren und auf technische Problemstellungen zu überprüfen. Wie ist das Tempo der Bewegungen einzustufen? Kommt vielleicht Motion-Capturing, Keyframing oder eine Kombination aus beiden zum Einsatz? Kampfsport-Einlagen überfordern häufig mechanisches oder magnetisches Motion-Capturing und verlangen aufgrund der teilweise extrem schnellen und ruckartigen Gebärden nach dem Einsatz von optischen Systemen, insbesondere dann, wenn mehrere Darsteller gleichzeitig miteinander agieren sollen, ohne sich dabei mit den Kabeln gegenseitig zu strangulieren. Kann ein Biped verwendet werden, oder wird ein zeitaufwändigeres Custom-Skelett benötigt? Extremposen sind im Vorfeld zu bedenken. Denn selbst ein komplex angelegtes IK-Setup mit dem dazugehörigen, feinjustierten Physique-Modifier wird keine optimalen Ergebnisse erzielen, wenn nicht bereits die Grundlagen hierfür während der Modellierungsphase geschaffen wurden.

Um die fischtypischen Bewegungsmuster sinnvoll imitieren zu können, habe ich abgefilmte Bewegungsstudien der jeweiligen Fischart benutzt, um deren Verhalten zu analysieren. Danach habe ich verschiedene Bone- und Modifier-Konstruktionen ausprobiert und ein wenig vor mich hin »rotoscoped«, um herauszufinden, welches die realistischere Deformation erzeugt und in welcher Zeit. Nachdem die Bewegung im Fisch stimmte, begann ich mich damit zu beschäftigen, wie ich den Fisch über Strecken bewegen würde. In der Hoffnung, einen automatisierten Lösungsansatz für die Fischschwarm-Sequenz zu finden, experimentierte ich dann kurze Zeit mit dem Crowd-Tool. Letztendlich wurden diese aber doch per Keyframing und Path-Animation gelöst, da die Interaktion mit dem Schauspieler sehr genauen Bewegungsvorgaben unterlag.

Zeit

Ausreichend Zeit und genügend Render-Power beschreiben die optimalen Situationen. Deadlines und eine zu langsame Hardware-Umgebung stellen jedoch die bittere Realität dar. Neben dem Faktor Zeit sind aber auch unvorhergesehene Schwierigkeiten, wie z. B. Hardware-Defekte, softwarespezifische Probleme etc., insbesondere bei größeren Unternehmungen einzuplanen.

Jedes Projekt, das an technische Grenzen rüttelt, Lösungsansätze für noch nicht da gewesene Probleme fordert oder dessen “Erfolg” von dem subjektiven Empfinden des Betrachters abhängig ist, birgt ein Risiko. Falls der Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Produktion nicht als trivial einzustufen ist und man selbst dafür auf ein eingespieltes Team zurückgreifen kann, sollte man ein gewisses Risiko immer mit einkalkulieren.

MorphtargetsAbb. 9: Morphtargets

Der traditionelle Ansatz, mit “Risiko” umzugehen, liegt darin, es einfach zu ignorieren und dabei zu hoffen, dass man es im Fall der Fälle in den Griff bekommt. Die möglichen Auswirkungen von Risiko wachsen jedoch proportional mit der Größe der Produktion und können äußerst unangenehme Formen wie z.B. Konventionalstrafen, Schadensersatzansprüche etc. annehmen. Sie gefährden Produzenten und Auftraggeber gleichermaßen. Bei langfristigen oder mit einem großen Budget versehenen Projekten verlangen Auftraggeber deshalb immer häufiger eine fundierte Risikoeinschätzung vor Produktionsbeginn sowie deren Berücksichtigung im Zeitplan. Es geht darum, eine Planung aufzustellen, deren Zeitplan zeigt, dass man alles bedacht und unter Kontrolle hat, auch die jeweiligen im Vorfeld definierten projektspezifischen Risikofaktoren. Darüber hinaus macht eine solche Planung auch den eigenen Job um ein Vielfaches entspannter. Vergleiche “Risk Management with Development Schedules” von Timothy Ryan, Gamasutra.

Es stellt sich also die Frage, wie man die Faktoren Zeit und Risiko in einer Produktion sinnvoll berücksichtigt! Ein aufgeschlüsseltes Zeit-Management und eine detaillierte Liste der vorstellbaren projektspezifischen Risiken verschaffen einen Überblick. Realistische Zeit-Budgets werden den verschiedenen Arbeitsschritten zugeordnet. Falls diese nicht eingehalten werden, kann in erster Instanz frühzeitig mit längerer Arbeitszeit, mehr Animatoren, leistungsfähigerer Hardware oder der Vereinfachung der Szene darauf reagiert werden. Darüber hinaus sollte ein separates, keiner Phase zugeordnetes Zeitsegment als Sicherheitsbuffer bereitgestellt werden, um unvorhergesehene Komplikationen zeitgerecht bewältigen zu können.

Da Zeit in “Cinematics” am stärksten während der Render-Phase zum Tragen kommt, sollte diese auf unnötigen Ballast, z.B. rechenintensive Modifier-Strukturen, Raytrace-Settings, Lichtparameter etc., überprüft werden. Probe-Renderings geben ein Gefühl für die zu erwartende Berechnungsdauer der Sequenz sowie Aufschluss darüber, wie stark dieser Prozess beschleunigt werden muss. Eine kurze Renderzeit ist gleichbedeutend mit mehr Produktionszeit, die gewinnbringend in anderen Bereichen des Projekts eingesetzt werden kann. Lässt sich die Renderzeit jedoch nicht weiter optimieren, sollte zumindest (durch gezielte Einzelbildkontrolle) dafür Sorge getragen werden, dass mit Flüchtigkeitsfehlern, wie etwa falsche Kamera, falsches Segment etc., keine wertvollen Stunden oder Tage vergeudet werden.

Neben dem Rendering ist die Arbeitsgeschwindigkeit entscheidend, wenn Zeit von Anfang an knapp ist. Je länger die Animation ausfällt, desto wichtiger ist eine gute Viewport-Kontrolle! Interaktives Arbeiten reduziert Preview-Renderings auf ein Minimum. Wie viel Zeit in die Optimierung des Workflows fließen sollte, muss für jedes Projekt individuell entschieden werden. Die effizienteste Vorgehensweise ergibt sich aus dem Verhältnis 'aufzuwendende Zeit zu Entlastung'. Ein Charakter, der nur 50 Frames lang in Erscheinung tritt, würde nicht den Zeitaufwand rechtfertigen, den ich beispielsweise für die 1400 Frames lange Eingangssequenz des Films betrieben habe, um diese, teilweise auch im Beisein der Regisseurin, in einem sinnvollen Tempo abarbeiten zu können.

Features

Dieser Begriff steht für ein beliebiges Merkmal, dessen aufwändige Umsetzbarkeit es zu einem Charakteristikum der virtuellen Persönlichkeit macht. Auch wenn man solche Eigenschaften üblicherweise mit zumeist plugin-basierten Besonderheiten wie z. B. Haare, Kleidungssimulation oder Lipsync verbindet, kann jedes Detail, das dem Betrachter ins Auge sticht oder dem Animator das Leben zur Hölle macht, zu einem Feature avancieren. Minutiös ausgearbeitete Softbodies sind genauso als Beispiel zu nennen wie eine komplexe Mimik, die etwa aus einer Vielzahl von detailliert angelegten Morph-Targets besteht. Die Frage, wie sich verschiedene Features auf das gesamte Setup auswirken, sollte während der technischen Planung berücksichtigt werden.

Da die Fische lediglich über eine minimale Mimik verfügen mussten, war dies durch die Morphvarianten Maul auf/zu, Kiemen auf/zu, Rückenflosse hoch/runter leicht zu realisieren.

Dagegen wurden die realistischen Verformungen der verschiedenen Flossen zu einem unerwarteten Problem. Die Art, wie sie auf den Widerstand des Wassers reagieren, selbst wenn sie sich nicht fortbewegen, die subtilen Wellenbewegungen innerhalb der Flosse zur Positionshaltung oder die Flex-Parameter zu ermitteln, die in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten funktionieren, ohne dabei die Form zu sehr zu verändern, wurden zu einem zeitaufwändigen Unterfangen.

Organisation

Da es während eines großen Projekts oft hektisch und unkoordiniert zugeht, sollten diverse organisatorische Aspekte im Vorfeld geklärt werden.

Ein NDA (Non Disclosure Agreement), also die vertraglich vereinbarte Verpflichtung, Informationen vertraulich zu behandeln, ist eine übliche Vorsichtsmaßnahme mit dem Ziel, Interna und Interessen des Auftraggebers zu schützen. Bei einer solchen Übereinkunft sollte unbedingt überprüft werden, ob das Recht zur Nutzung für eigene Werbezwecke an den selbst produzierten Arbeiten, z. B. auf der eigenen Internetseite, eingeräumt wird.

Es empfiehlt sich, einen Projektvertrag aufzusetzen, der folgende Punkte beinhalten sollte:

  • Produktionsbeginn und Ende
  • Genaue Beschreibung der zu erbringenden Arbeiten
  • Länge, Detailtiefe und Übergabemedium
  • Anzahl anzufertigender Previews
  • Auflistung der für den Produktionsbeginn benötigten Materialien, wie z. B. Szenenbeschreibung, Fotos oder Footage. Liefert der Kunde diese nicht rechtzeitig an, darf die Verzögerung nicht zu Lasten der Produzenten gehen.
  • Termine für die Abnahme verschiedener Projektphasen (z. B. visuelles Konzept, Modell, texturiertes Modell, Animation, finales Rendering)
  • Fälligkeit von Teilsummen des Gesamtbudgets. Üblicherweise wird hier die klassische Drittelung verwendet (1/3 bei Auftragserteilung, 1/3 bei Preview-Abnahme, 1/3 bei Endabgabe), größere Projekte benötigen mehr Teilsummen.

Schriftlich vereinbarte Zeitpläne sind wie rechtlich bindende Gesetze. Sie wurden definiert, um eingehalten zu werden, und können nur dann verändert werden, wenn sich beide Parteien darauf einigen. Die wichtigste Projektregel lautet: Alles schriftlich! Schriftverkehr dokumentiert den genauen Projektablauf und sollte sorgsam aufbewahrt werden. Auch wenn man sich dabei ein wenig seltsam vorkommt, kann diese Vorsichtsmaßnahme Leben retten.

Die Definition eines detaillierten Pflichtenheftes und mehrerer Milestones hilft sicherzustellen, dass vereinbarte Leistungen korrekt und rechtzeitig erbracht wurden und was als darüber hinausgehende Arbeit zu bezeichnen ist. Generell werden auf diese Weise unnötige “Missverständnisse” im Vorfeld aus dem Weg geräumt. Denn auch ohne eigenes Verschulden treten während einer Produktion genügend davon auf.

Ein denkbares Beispiel für den sinnvollen Einsatz eines Projektvertrages wäre folgende Situation: Nachdem Modell, Texturen und das aufwändige Animations-Setup bereits fertig gestellt wurden, verlangt der Kunde eine Änderung im Modell, die dazu führt, dass die bereits erbrachten Schritte erneut ausgeführt werden müssen. Hätte man im Vorfeld eine Teilabnahme vereinbart, wäre die vom Kunden geforderte Änderung eindeutig als Zusatzleistung zu definieren. Ähnliche Situationen kommen häufiger vor, als man denkt, und sind für beide Seiten gleichermaßen ärgerlich. Auf der einen Seite wird die hierfür aufzuwendende Zeit häufig nicht bezahlt, auf der anderen Seite ist sich König Kunde oft nicht im Klaren darüber, wie viel Aufwand er verursacht und dass dieser der Qualität seines Endprodukts abträglich ist.