Pre-rendered

Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Echtzeit-Repräsentanten sind Angehörige dieser Gattung im Hinblick auf 3D-Modelle und Setup um ein Vielfaches komplexer. Bei fotorealistischen Charakteren kommt jedes zur Verfügung stehende Feature wie Soft-Bodies, Muskelkontraktion, Haar- und Stoffsimulation, Lipsync etc. zum Einsatz. Um ein funktionierendes Zusammenspiel dieser Module in einer offen angelegten Architektur wie 3ds max zu gewährleisten, in der interne Funktionen auf unterschiedlich stark ausgereifte Third-Party-Plugins stoßen, sind eine genaue technische Planung der Produktion und viele Erfahrungswerte vonnöten.

Synthespians

StoolAbb. 5: “Stool” Image courtesy of
Steven Spielberg, Sweden, Maya

Ende der Achtzigerjahre wurde der Begriff “Synthespian” von Jeff Kleiser und Diana Walczak während eines experimentellen Filmprojekts geprägt. Dieser wurde von Thespis, dem Begründer der griechischen Tragödie, abgeleitet. Gemeint sind High-End-Charaktere, die durch die Qualität ihres Äußeren und ihrer Handlungen eine tragende Rolle überzeugend ausfüllen können. Beispiele hierfür sind die Wissenschaftlerin Aki Ross, der verwandelte Skorpionkönig Mathayus sowie der Drache Draco aus dem Film “Dragonheart”, der als erster gleichberechtigter digitaler Schauspieler zu nennen ist. Realistische Synthespians agieren im Fokus des Betrachters einzeln oder in kleinen Gruppen. Bei genügend Ablenkung oder Überforderung des Auges treten sie szenenweise in Massen auf oder füllen, in der nächstmöglichen Abstufung des Realismus, dem seit “Final Fantasy” so genannten Hyperrealismus, ganze Filme.

Abbildung 6Abb. 6: Image courtesy of
Beans Magic, Japan

Reale Darsteller und Synthespians verschmelzen immer häufi ger zu Hybridwesen, die als Einheit Erstaunliches leisten können. Die Formwandlerin Mystique aus X-Men, gespielt von Rebecca Romijn-Stamos, ist so ein Mischwesen, das je nach Bedarf analog oder digital tätig wird. Komplexe “3D Procedural Transformations” verwandeln sie vom Menschen zum CG-Character, der jede beliebige Form anzunehmen vermag. Durch dasselbe Prinzip werden auch Wesley Snipes Fähigkeiten in Blade 2 bereichert. In den an Mangas erinnernden Kampfszenen trotzt sein digitaler Doppelgänger den Gesetzen der Schwerkraft.

Die digitale Art ist ein perfekt kontrollierbares Instrument, das den physikalischen Gesetzen unserer Welt nicht unterliegt. Lebensgefährliche Stunts, die mit einem realen Darsteller nicht zu verwirklichen wären, die genaue Planbarkeit einer komplexen Choreografie, nicht ausführbare Bewegungen oder Massenszenen, deren Ausmaß die Zahl der benötigten Statisten irrwitzig erscheinen lassen würde, stellen nur einige der sinnvollen Einsatzbereiche von virtuellen Schauspielern dar.

GrayAbb. 7: “Gray&rdquo, Final Fantasy, image courtesy of
Francisco Cortina, USA, (Maya)

Aber auch tragische Vorfälle, wie der Tod von Oliver Reed während der Dreharbeiten zu “Gladiator”, durch den große Teile des Projektes gefährdet wurden, zeigen die Vielseitigkeit ihres Wirkens. So konnten mit dem digitalen Abbild des Darstellers die fehlenden Sequenzen fertig gestellt und der Film gerettet werden. Die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Situationen auf große Projekte haben Versicherungsgesellschaften zu der Forderung eines Body-Scans von Hauptdarstellern veranlasst. Dies wiederum wirft die Frage auf, wer eigentlich die Rechte an den erfassten Daten hat oder wie diese gewinnbringend einzusetzen sind. Publikumsmagneten könnten beliebig lange jung bleiben. Ein Sachverhalt, über den die großen Studios, Hollywood-Stars oder deren Angehörige immer häufiger nachdenken.

AkiAbb. 8: “Aki&rdquo, Final Fantasy, image courtesy of
Francisco Cortina, USA, (Maya)

Abschließend bleibt zu sagen, dass ein komplett fotorealistischer Mensch zwar im Still bereits überzeugend dargestellt werden kann, jedoch in der Animation noch diverse Defizite aufweist. Soft- und Hardware sind momentan noch nicht leistungsfähig genug, um mit dem komplexen 3D-Konstrukt einen aufmerksamen Betrachter wirklich überzeugen zu können. Zu viele natürliche Eigenschaften, wie zum Beispiel eine ausdrucksstarke Mimik, anatomisch korrekte Deformationen, Transluzenz der Haut oder lange Haare, mutieren in der 3D-Welt zu aufwändigen Features. Sie sind nur der Beginn einer langen Liste von Schwierigkeiten, die alle für sich bereits lösbar sind, aber in ihrem geballten Auftreten die vorhandenen Möglichkeiten übersteigen. Ferner kommt erschwerend hinzu, dass jeder Betrachter ein Experte in der optischen Beurteilung eines digitalen Menschen ist, denn wir beurteilen lediglich das, was wir kontinuierlich sehen. Der bisher spektakulärste Versuch – “Final Fantasy” –, das hoch gesteckte Ziel zu erreichen, kann zwar beeindruckende Resultate vorweisen, musste jedoch mit dem Hyperrealismus vorlieb nehmen.